3.4.3.1 Carbide
3.4.3.1.1 Siliciumcarbide
Die mit Abstand wichtigsten carbidischen
Keramiken sind Werkstoffe auf der Basis von Siliciumcarbid
(SiC). Diese werden je nach Anwendungszweck in diversen
Varianten hergestellt, sie zeichnen sich aber alle durch die
typischen Eigenschaften des Siliciumcarbids aus, wie
- sehr hohe Härte,
- Korrosionsbeständigkeit auch bei hohen Temperaturen,
- hohe Verschleißbeständigkeit,
- hohe Festigkeit auch bei hohen Temperaturen,
- Oxidationsbeständigkeit bis zu sehr hohen Anwendungstemperaturen
- gute Temperaturwechselbeständigkeit,
- geringe Wärmedehnung,
- sehr hohe Wärmeleitfähigkeit,
- gute tribologische Eigenschaften und
- Halbleitereigenschaften.
Die oben genannten, typischen Eigenschaften kommen bei den
Werkstoffvarianten unterschiedlich stark zum Tragen. Je nach
Herstellungstechnik muss bei Siliciumcarbidkeramiken zwischen
artfremdgebundenen und arteigengebundenen Keramiken unterschieden
werden, sowie zwischen offenporöser und dichter Keramik:
offenporöses Siliciumcarbid:
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dichtes Siliciumcarbid:
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Art und Anteil der Bindungsarten sind entscheidend für
die jeweiligen charakteristischen Eigenschaften der Siliciumcarbidkeramiken.
Silikatisch gebundenes Siliciumcarbid
wird aus groben und mittelfeinen SiC-Pulvern hergestellt
und mit ca. 5 bis 15 % alumosilikatischer Bindematrix unter
Luftatmosphäre gebrannt. Die Festigkeiten, Korrosionsbeständigkeiten
und vor allem die Hochtemperatureigenschaften werden durch
die silikatische Bindematrix bestimmt und liegen daher unterhalb
der nichtoxidisch gebundenen SiC-Keramiken. Bei sehr hohen
Einsatztemperaturen beginnt die silikatische Bindematrix zu
erweichen, der Werkstoff verformt sich unter Last bei hohen
Temperaturen. Vorteil ist sein vergleichsweise geringer Herstellungsaufwand.
Typische Anwendung findet dieser Werkstoff z. B. als Tellerkapsel
beim Porzellanbrand.
Bild 30: Gefüge von grobem, silikatisch
gebundenem Siliciumcarbid
Bild 31: Gefüge von feinem, silikatisch
gebundenem Siliciumcarbid
Flüssigphasengesintertes Siliciumcarbid (LPSIC)
ist ein dichter Werkstoff, der SiC und eine oxinitridische
SiC-Mischphase sowie eine oxidische Sekundärphase enthält.
Der Werkstoff wird aus Siliciumcarbidpulver und variierenden
Mischungen von oxidkeramischen Pulvern, oft auf der Basis
von Aluminiumoxid, hergestellt. Dabei sind die oxidischen
Bestandteile für die gegenüber SSIC etwas höhere
Dichte von ca. 3,24 g/cm3 verantwortlich. Die Bauteile werden
in einem Drucksinterverfahren bei einem Druck von 20–30
MPa und einer Temperatur von über 2.000 °C verdichtet.
Der Werkstoff zeichnet sich auch durch seine feinkörnige
Matrix mit Korngrößen < 2 ?m und dadurch, dass
er praktisch porenfrei ist, durch sehr hohe Festigkeit und
hohe Bruchzähigkeit aus.
LPSIC liegt somit von den mechanischen Eigenschaften her gesehen
zwischen dem SSIC und dem hochfest-„zähen“
Si3N4.
Bild 32: Gefüge von flüssigphasengesintertem
Siliciumcarbid
Drucklos gesintertes Siliciumcarbid (SSIC)
wird aus gemahlenem SiC-Feinstpulver hergestellt, das mit
Sinteradditiven versetzt, in den keramiküblichen Formgebungsvarianten
verarbeitet und bei 2.000 bis 2.200 °C unter Schutzgas
gesintert wird. Neben feinkörnigen Varianten mit Korngrößen
< 5 ?m sind auch grobkörnige mit Korngrößen
bis 1,5 mm erhältlich. SSIC zeichnet sich durch hohe
Festigkeit aus, die bis zu sehr hohen Temperaturen (ca. 1.600
°C) nahezu konstant bleibt und zwar dauerhaft!
Dieser Werkstoff weist eine extrem hohe Korrosionsbeständigkeit
gegenüber sauren und basischen Medien auf, denen er ebenfalls
bis zu sehr hohen Temperaturen standhalten kann. Grobkörnige
Varianten weisen hier Vorteile auf. Diese in der Gruppe der
Hochtemperaturkeramiken herausragenden Eigenschaften werden
durch eine hohe Temperaturwechselbeständigkeit, hohe
Wärmeleitfähigkeit, hohe Verschleißbeständigkeit
und eine diamantähnliche Härte ergänzt. Das
SSIC ist daher für Anwendungen mit extremen Ansprüchen
prädestiniert, z. B. für Gleitringdichtungen in
Chemiepumpen, Gleitlager, Hochtemperaturbrennerdüsen
oder auch Brennhilfsmittel für sehr hohe Anwendungstemperaturen.
Die Verwendung von SSIC mit Grafiteinlagerungen steigert
die Leistung von Tribosystemen.
Bild 33: Gefüge von SSIC
Bild 34: Gefüge von grobkörnigem
SSIC
Heiß gepresstes Siliciumcarbid (HPSIC)
sowie heiß isostatisch gepresstes Siliciumcarbid (HIPSIC)
weisen gegenüber dem drucklos gesinterten SSIC sogar
noch höhere mechanische Kennwerte auf, da die Bauteile
durch die zusätzliche Anwendung von mechanischen Pressdrücken
bis zu ca. 2.000 bar während des Sintervorgangs nahezu
porenfrei werden. Die axiale (HP) bzw. die isostatische (HIP)
Presstechnik beschränkt die zu fertigenden Bauteile auf
relativ einfache bzw. kleine Geometrien und bedeutet zusätzlichen
Aufwand gegenüber dem drucklosen Sintern. HPSIC bzw.
HIPSIC finden daher ausschließlich Anwendung in Bereichen
extremster Beanspruchung.
Reaktionsgebundenes siliciuminfiltriertes Siliciumcarbid
(SISIC)
besteht zu ca. 85 bis 94 % aus SiC und entsprechend aus 15
bis 6 % metallischem Silicium (Si). SICIC besitzt praktisch
keine Restporosität.
Dieses wird erreicht, indem ein Formkörper aus Siliciumcarbid
und Kohlenstoff mit metallischem Silicium infiltriert wird.
Die Reaktion zwischen flüssigem Silicium und dem Kohlenstoff
führt zu einer SiC-Bindungsmatrix, der restliche Porenraum
wird mit metallischem Silicium aufgefüllt. Vorteil dieser
Herstellungstechnik ist, dass im Gegensatz zu den Pulversintertechniken
die Bauteile während des Silicierungsprozesses keine
Schwindungen erfahren. Daher können außerordentlich
große Bauteile mit präzisen Abmessungen hergestellt
werden. Der Einsatzbereich des SISIC ist aufgrund des Schmelzpunktes
des metallischen Siliciums auf ca. 1.380 °C begrenzt.
Bis zu diesem Temperaturbereich weist SISIC hohe Festigkeit
und Korrosionsbeständigkeit, verbunden mit guter Temperaturwechselbeständigkeit
und Verschleißbeständigkeit auf. SISIC ist daher
prädestiniert als Werkstoff für hoch belastete Brennhilfsmittel
(Balken, Rollen, Stützen etc.) und verschiedenste Brennerbauteile
für direkte und indirekte Verbrennung (Flammrohre, Rekuperatoren
und Strahlrohre).
Es findet aber auch im Maschinenbau bei hoch verschleißfesten
und korrosionsbeständigen Bauteilen (Gleitringdichtungen)
Anwendung.
Bild 35: Gefüge von SISIC
Bild 36: Gefüge von grobkörnigem
SISIC
Rekristallisiertes Siliciumcarbid (RSIC)
ist ein reiner Siliciumcarbidwerkstoff mit ca. 11 bis 15
% offener Porosität. Diese Keramik wird bei sehr hohen
Temperaturen von 2.300 bis 2.500 °C gebrannt, wobei sich
ein Gemisch aus feinstem und grobem Pulver schwindungsfrei
zu einer kompakten SiC-Matrix umwandelt. Bedingt durch seine
offene Porosität hat das RSIC im Vergleich zu den dichten
Siliciumcarbidkeramiken geringere Festigkeiten.
Bild 37: Gefüge von RSIC
Das RSIC zeichnet sich infolge seiner Porosität durch
eine hervorragende Temperaturwechselbeständigkeit aus.
Die schwindungsfreie Brenntechnik erlaubt analog zum SISIC
die Herstellung großformatiger Bauteile, die vorwiegend
als hoch belastbare Brennhilfsmittel (Balken, Rollen, Platten
etc.) z. B. beim Porzellanbrand eingesetzt werden. Bedingt
durch seine offene Porosität ist diese Keramik nicht
dauerhaft oxidationsbeständig und unterliegt als Brennhilfsmittel
oder auch als Heizelement einer gewissen Korrosion. Die maximale
Anwendungstemperatur liegt zwischen 1.600 und 1.650 °C.
Nitridgebundenes Siliciumcarbid (NSIC)
ist ein poröser Werkstoff, mit 10 bis 15 % Porosität
und davon 1 bis 5 % offener Porosität, der schwindungsfrei
hergestellt wird, indem ein Formkörper aus Siliciumcarbidgranulat
und Si-Metallpulver in einer Stickstoffatmosphäre bei
ca. 1.400 °C nitridiert. Dabei wandelt sich das anfänglich
metallische Silicium zu Siliciumnitrid um und bildet damit
eine Bindung zwischen den Siliciumcarbid-Körnern aus.
Anschließend wird das Material oberhalb 1.200 °C
einer oxidierenden Atmosphäre ausgesetzt. Das bewirkt
die Entstehung einer dünnen Oxidationsschutzschicht in
Form einer Glasschicht.
Bild 38: Gefüge von NSIC
Die Siliciumnitridmatrix bewirkt, dass Werkstücke aus
NSIC durch NE-Metallschmelzen schlecht benetzbar sind.
Wegen seiner gegenüber RSIC geringeren Porengröße
weist NSIC eine um ca. 100 % höhere Biegebruchfestigkeit
sowie eine bessere Oxidationsbeständigkeit auf und unterliegt
aufgrund seiner besseren Oberflächenbeständigkeit
keiner Verformung über die Einsatzdauer hinweg. Dieser
Werkstoff ist hervorragend als hoch belastbares Brennhilfsmittel
bis 1.500 °C geeignet.
3.4.3.1.2 Borcarbid
Borcarbidkeramiken (B4C)
werden ähnlich wie die Siliciumcarbidkeramiken aus einem
Submicron-B4C-Pulver unter Inertgasatmosphäre bei Temperaturen
oberhalb 2.000 °C drucklos gesintert (SBC), heiß
gepresst (HPBC) oder heißisostatisch verdichtet (HIPBC).
Borcarbidkeramiken zeichnen sich durch überragende Härte
aus, die nur noch von kubischem Bornitrid und Diamant übertroffen
wird. Die mechanischen Eigenschaften der Borcarbidkeramiken
entsprechen in etwa denen der Siliciumcarbidkeramik, sie weisen
aber vergleichsweise höhere Verschleißbeständigkeit
auf. Die Kombination von sehr geringer Dichte (2,51 g/cm3),
hohen mechanischen Festigkeiten und Elastizitätskonstanten
machen diese Keramiken insbesondere für den Bereich des
ballistischen Schutzes interessant. Im Bereich der Hochtemperaturanwendungen
können Borcarbidkeramiken nur bis maximal 1.000 °C
an O2-haltiger Atmosphäre eingesetzt werden, bei höheren
Temperaturen würde diese Keramik überproportional
schnell oxidieren.
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