Brevier TECHNISCHE KERAMIK

 

      Vom Pulver zum Bauteil

 

 


   

4.1.4 Vom Formen zum Sintern

Die nach den urformenden Verfahren Gießen, plastisches Formen und Pressen hergestellten Grünlinge enthalten neben den keramischen Pulvermischungen (einschließlich der permanenten Additive) in der Regel noch Feuchte und meist organische Verflüssigungs-, Plastifizierungs- und Bindemittel oder andere Hilfsstoffe.
Alle bei hohen Temperaturen flüchtigen, also verdampfenden oder verbrennenden Anteile müssen vor dem Brennen aus dem keramischen Grünling entfernt werden, was besondere Sorgfalt erfordert, damit sie ihn ohne Schädigung verlassen können.
Abhängig vom Pulver, von der Bauteilform und größe sowie von der gewählten Urformgebung weist der Grünling mehr oder weniger große Dichtegradienten auf, die sich nach dem Brennen u. U. auch noch im Toleranzspiel der Bauteile bemerkbar machen können.

 

Trocknen

In einer geformten feuchten Masse sind alle Teilchen mit einer Wasserhülle umgeben. Mit der Abgabe des Wassers rücken die Teilchen einander näher, und es findet eine Volumenabnahme statt, die so genannte Trockenschwindung.
Die Trockenschwindung nimmt mit der Höhe des Feuchtegehalts zu. Sie ist außerdem von der Korngröße, der Art der Rohstoffe und vom Formgebungsverfahren abhängig.
Z. B. ist durch die plättchenförmige Gestalt der Tonmineralteilchen bei stranggepressten Körpern aus Porzellan die Schwindung längs des Stranges geringer als senkrecht dazu. Solchen Orientierungen oder so genannten Texturen muss man nach Größe und Geometrie der keramischen Bauteile mit vorsichtigem Trocknen Rechnung tragen.
Beim Trocken kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, die den jeweiligen keramischen Bauteilen angepasst sind.

 

Ausbrennen

Grünkörper aus natürlichen plastischen Massen haben oft eine ausreichende Rohbruchfestigkeit. Diese kann jedoch mit organischen Additiven verbessert werden. Solche Zusätze sind darüber hinaus bei von Haus aus unplastischen Massen unverzichtbar.
Das Ausbrennen solcher restlichen Plastifizierungs- und Verfestigungsmittel und anderer organischer Additive bedarf eines sorgfältig angepassten Temperatur-Druck-Atmosphären-Zeitprofils, um ein schädigungsfreies und reproduzierbares Austreiben der Hilfsstoffe aus dem feinporösen Formkörper sicher zu ermöglichen.
Eine Variante des Ausbrennens ist das so genannte Verkoken, z. B. bei SiC. Dabei werden u. a. Kunststoffanteile in Kohlenstoff umgewandelt, der im Gefüge verbleibt und sich im folgenden Reaktionsbrand mit Hilfe von zugeführten Reaktionsstoffen zu einer keramischen Matrix umsetzt.

Nach dem Trocknen und Ausbrennen bzw. Verkoken wird das Gefüge des Grünlings (Pulverhaufwerk in Bauteilform) lediglich durch Adhäsionskräfte zusammengehalten und bedarf einer besonders sorgfältigen Handhabung während der weiteren Prozessschritte. Aus diesem Grund werden Trocknen und Ausbrennen nach Möglichkeit mit dem keramischen Brand zusammengefasst.

 

Verglühen

Um das Handhabungsrisiko zu reduzieren und die Alternative der Weißbearbeitung zu ermöglichen, kann der Formkörper im Vorbrand durch Verglühen mit relativ geringer Schwindungsrate vorverfestigt werden. Dazu müssen Festigkeit und Schwindungsrate über die Prozessparameter reproduzierbar eingestellt werden.

 

Brennen

Das Ziel der keramischen Technologie ist die Herstellung eines mechanisch festen Körpers, der unterschiedlichsten Anforderungen und Belastungen beim Anwender standhält. Zwischen den einzelnen Teilchen des Grünlings besteht nur geringe Haftung. Die keramische Bindung und damit die hohe Festigkeit erhält man erst durch das Brennen bei hohen Temperaturen. Der Brand ermöglicht das Sintern (mit flüssiger Phase oder auch ohne) und lässt somit erst den eigentlichen keramischen Werkstoff entstehen.
Die Vorgänge beim Sintern keramischer Körper sind sehr komplex (Mehrstoffsysteme) und laufen je nach Reinheit, Korngröße, Packungsdichte und Brennatmosphäre unterschiedlich schnell ab. Oxidkeramische Produkte mit hohem Reinheitsgrad sintern durch Festkörperreaktion und benötigen dabei viel höhere Sintertemperaturen als feldspathaltige Massen, wie z. B. das Porzellan mit einem hohen Anteil an Schmelzphase.



Bild 59: Kornwachstum während des Sinterprozesses

Durch die Vorgänge beim Brand findet eine Verfestigung und Verdichtung der Produkte statt, die sich auch in einer Abnahme der Porosität äußert. Dieser Prozess bewirkt insgesamt eine Volumenabnahme, die so genannte Brennschwindung. Diese kann für verschiedene keramische Werkstoffe sehr unterschiedlich sein.
Ähnlich wie beim Trocknen benötigen keramische Produkte beim Brennen definierte Zeiten und eine geeignete Atmosphäre. Nichteinhaltung führt zu erhöhten inneren Spannungen, zu Fehlern am Werkstück oder zu unzureichenden Eigenschaften. Dünnere Scherben und dicht geformte Werkstücke verhalten sich günstiger und lassen sich schneller brennen als großformatige mit größerer Wanddicke.


Bild 60:
Tunnelofen


Typische Sintertemperaturen:


Tabelle 5: Sintertemperaturen keramischer Werkstoffe


Mit zunehmender Brenntemperatur steigt der Energieeinsatz für den Sinterprozess überproportional an. Neben der Energie gehören Brennhilfsmittel aus hochfeuerfestem Material, mit deren Hilfe das Brenngut gleichmäßig im Brennraum gestapelt wird, zum besonderen Aufwand.

Bei einigen keramischen Werkstoffen lassen sich durch speziell unterstützte Sinterverfahren besondere Werkstoffvarianten erzeugen:

 

Heißpressen (HP)

dient zur Herstellung von Bauteilen mit annähernd theoretischer Dichte und ist ein Sintervorgang, der durch einen Pressvorgang unterstützt wird.

 

Heißisostatisches Pressen (HIP)

verleiht vorzugsweise kleinen Bauteilen höchste Dichte durch Verwendung von isostatischem Gasdruck bis 3.000 bar bei der jeweiligen Sintertemperatur bis 2.000 °C (z. B. in flexiblen Kieselglashüllen).

 

 
 
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