Brevier TECHNISCHE KERAMIK

 

      Werkstoffe der technischen Keramik

 

 


   

3.4.2.8 Bleizirkonattitanat

Die heute wichtigsten piezoelektrischen keramischen Werkstoffe basieren auf dem oxidischen Mischkristallsystem Bleizirkonat und Bleititanat, das als Bleizirkonattitanat (PZT) bezeichnet wird.

Die spezifischen Eigenschaften dieser Keramiken, wie die hohe Dielektrizitätszahl, hängen vom molaren Verhältnis von Bleizirkonat zu Bleititanat sowie von der Substitution und Dotierung mit zusätzlichen Elementen ab. Daraus ergeben sich vielfältige Modifikationsmöglichkeiten für Werkstoffe mit unterschiedlichsten Spezifikationen.

Der piezoelektrische Effekt

Der piezoelektrische Effekt verknüpft elektrische und mechanische Größen miteinander.
Unter Piezoelektrizität versteht man eine lineare elektromechanische Wechselwirkung zwischen den mechanischen und den elektrischen Zuständen eines Kristalls.

Vom direkten piezoelektrischen Effekt spricht man, wenn durch eine mechanische Deformation des Kristalls eine hierzu proportionale elektrische Ladung erzeugt wird, die als elektrische Spannung abgegriffen werden kann.



Bild 21: Piezoelektrischer Effekt/Einfluss äußerer Kräfte.
Je nach Kraftrichtung werden elektrische Ladungen entsprechenden Vorzeichens erzeugt.


Der reziproke oder inverse piezoelektrische Effekt zeichnet sich durch eine Deformation aus, welche sich proportional zu einem äußeren elektrischen Feld einstellt, das durch Anlegen einer elektrischen Spannung erzeugt wird.



Bild 22: Inverser piezoelektrischer Effekt/Einfluss elektrischer Felder.
Der Körper ändert seine Abmessungen mit der Spannungsänderung.


Grundsätzliches

Die Piezoelektrizität ferroelektrischer Materialien ergibt sich aus der Existenz polarer Bereiche (Domänen), die durch die Polung, d. h. durch Anlegen einer elektrischen Spannung, ausgerichtet werden. Die Polung ist mit einer Längenänderung S verbunden.



Bild 23: Elektrische Dipole der Domänen im piezoelektrischen Werkstoff vor und nach der Polung


Bleizirkonattitanat Pb(Zrx Ti(1-x)) O3 wird in polykristalliner Form verarbeitet. Die beiden gebräuchlichsten Formgebungen sind das Press- und das Foliengießverfahren. Der Grünling erhält durch den Brand keramische Eigenschaften.
Die Piezokeramik erhält jedoch erst durch einen Polarisationsprozess ihre technisch relevanten piezoelektrischen Eigenschaften.



Bild 24: Darstellung der Domänen von Bleizirkonattitanat vor, während und nach der Polung
S = Längenänderung während der Polung
Sr = remanente Längenänderung nach dem Polungsvorgang


Resonanzformen piezoelektrischer Bauteile

Aus den Grundschwingarten leiten sich alle Bauteile für die Applikationen als Sensor und Aktor ab.



Bild 25: Grundschwingarten von piezokeramischen Bauteilen


Bauformen

Besteht die Piezokeramik aus einer Schicht, spricht man von Single-layertechnologie. Ist die piezokeramische Komponente aus mehreren aktiven piezokeramischen Schichten aufgebaut, spricht man von Multilayertechnologie. Standardmäßig werden daraus heute piezokeramische Scheiben, Platten, Streifen, Ringe, Kalotten, Röhrchen und eine Vielzahl von Sondergeometrien gefertigt.

Aufgrund kompakter Bauweise nehmen piezokeramische Wandler wenig Platz ein und weisen als Aktoren einen geringen Energieverbrauch auf. Für große Hübe werden Multilayeraktoren eingesetzt, die auch große Kräfte erzeugen können.
Damit die Außenspannung niedrig bleibt, werden die einzelnen Layer elektrisch parallel geschaltet.



Bild 26: Konfiguration und Schnittbild eines piezokeramischen monolithischen Multilayeraktors


Eine weitere Variante ist der Biegewandler. Dieser entsteht, wenn z. B. Piezokeramikelemente mit einem Trägermaterial verklebt werden. Die Piezokeramik reagiert bei elektrischer Ansteuerung mit Längen-änderung, und man erhält, ähnlich wie beim Bimetall, eine große Auslenkung des Verbundes in Abhängigkeit von Polung und Spannung mit moderaten Kräften.



Bild 27: Das Anlegen der Betriebsspannung verursacht eine Kontraktion der Piezokeramik und damit die Biegung


Aktoren mit einer passiven Lage und einer piezokeramischen Komponente bezeichnet man als Monomorph. Ein bimorpher Biegewandler besteht aus zwei piezokeramischen Keramiken ohne passive Zwischenlage. Ein System aus zwei piezokeramischen Komponenten und einer passiven Zwischenlage bezeichnet man als trimorph. Ein multimorpher Biegewandler besteht aus vielen piezokeramischen Komponenten und besitzt keine passive Zwischenlage.



Bild 28: Aufbauvarianten von piezokeramischen Biegewandlern mit
P = Polarisationsrichtung und E = Feldrichtung


Durch das jeweilige individuelle Design des Biegewandlers können Auslenkungen von einigen Millimetern, Kräfte bis zu einigen Newton und bemerkenswert kurze Stellzeiten erzielt werden. Damit kann der Biegewandler als leistungsfähiges und schnelles Stellelement eingesetzt werden.

Piezokeramik hat sich weite Anwendungsgebiete in der Elektronik, der Fahrzeugindustrie, der Medizintechnik, dem Geräte- und Maschinenbau und bei Konsumeranwendungen erschlossen:
Piezokeramische Bauteile kommen als Wandler in der Telekommunikation, Akustik, Hydroakustik, Materialprüfung, Ultraschallbearbeitung, Flüssigkeitszerstäubung, Durchflussmessung, Füllstandsmessung, Abstandsmessung und in der Medizintechnik zum Einsatz. In Form von Aktoren findet man sie in Mikropumpen, optischen Systemen, in Gasventilen, in der Tiefdrucktechnik, bei Tintenstrahldruckern, in Textilmaschinen und Braillemodulen (Blindenlesegeräten) wieder. Als Sensoren reagieren sie auf Kraft, Druck und Beschleunigung und ermöglichen die Überwachung unterschiedlichster Prozesse.

 

 
 
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